5. März: Generalprobe von Gounods Oper "Margarete/Faust" am Oldenburgischen Staatstheater. Hübsche Musik, aber etwas verquaste Handlung (Faust und Gretchen halt). Ich interviewe die Regisseurin, höre mir dann die erste Stunde der Generalprobe an, mit eingeschaltetem Aufnahmegerät, habe genug Audio und Eindrücke, fahre nach Hause, genieße das Wochenende und schreibe zwischendurch mein Radiostück in Grundzügen fertig, habe die Musikeinspielungen fertig geschnitten... Alles easy. So bleibt es auch.
Aber eine Überraschung erwartet mich trotzdem. Am 7. März, Sonntag, ist Premiere. Ich habe vom Theater zwei Karten bekommen, das heißt, Heike kommt mit. Nun erlebe ich mit ihr gemeinsam die ganze Oper, von der ich ja nur die erste Stunde schon kenne. DREIEINHALB STUNDEN dauert die Aufführung! Okay, nett anzuhören, aber in der Mitte der zweiten Halbzeit wirds dann schon eine gewisse Geduldsprobe. Aber...
Im Faust gibt es die Walpurgisnacht-Szene, wo Hexen mit ungezügelter Lüsternheit versuchen, den Gelehrten vom Gedanken an Gretchen abzulenken. Die Regisseurin in Oldenburg hatte diese Szene in einen Nachtclub verlegt. Plötzlich wurde das vollbesetzte Große Haus des Staatstheaters wieder hellwach: Die Dame, die den deprimierten Heinrich Faust bezirzt, ist eine eigens engagierte, professionelle Stripperin von der Hamburger Reeperbahn. Und ihr Strip lässt nichts zu wünschen übrig. Völlig cool entblättert sie sich, räkelt sich lasziv in unmissverständlichen Posen. Ungläubiges "ts, ts, ts" im Publikum, als auch die allerletzte Hülle fällt. Und was nun folgt, ist keine unschuldige Nacktheit wie am Badesee oder im Mädchen-Umkleideraum. Diese Frau weiß, was sie tut, und sie macht's gut.
Ich sag's ja: Ich kriege durch meinen Job immer wieder neue Eindrücke, Einblicke in Lebensbereiche, die ich sonst vielleicht nicht kennengelernt hätte. Nun kann ich mir also den Besuch der Etablissements an der Reeperbahn sparen, den ich sowieso nie in Betracht gezogen habe. Besser als auf der Bühne des Staatstheaters kann's eigentlich nicht werden.
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